Prozessmanagement – Projektinsights und Tipps zum optimalen Vorgehen bei der Prozessanalyse

Was ist eine Prozessanalyse?

Prozessanalysen sind ein zentraler Bestandteil des Prozessmanagements. Prozessanalysen dienen dazu, den Status quo zu untersuchen und zu hinterfragen, Optimierungspotenziale aufzuzeigen und langfristig effiziente Prozesse sicherzustellen.
Eine Prozessanalyse beschreibt das systematische Vorgehen bei der Betrachtung und Bewertung von Prozessen. Dabei werden Prozesse in ihre Einzelschritte zerlegt und für eine Bewertung sichtbar gemacht. Dadurch wird das Prozessverständnis erhöht und Schwachstellen sowie mögliche Optimierungen werden identifiziert.

Was ist das Ziel der Prozessanalyse?

Mit Hilfe der Prozessanalyse können Abweichungen zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand eines Prozesses festgestellt werden. Eine Prozessanalyse beinhaltet daher in jedem Fall auch die Definition der angestrebten Soll-Prozesse.
Ausgangssituation der Prozessanalyse kann sein, dass Prozesse ineffizient sind, eine Vielzahl von Störfaktoren beinhalten und/oder nicht einheitlich gelebt werden. Ziel der Prozessanalyse ist es daher herauszufinden, was der Auslöser für die Ausgangssituation ist und was verändert werden muss, um effiziente Soll-Prozesse zu gestalten. Damit bildet die Prozessanalyse die Grundlage für eine kontinuierliche Prozessoptimierung und ein effektiv funktionierendes Prozessmanagement.

Welche Methoden gibt es?

Bei der Prozessanalyse können verschiedene Methoden zum Einsatz kommen. Die meisten konzentrieren sich auf die Identifizierung von Optimierungspotenzialen in den einzelnen Prozessen.
Eine mögliche Methode der Prozessanalyse ist die SWOT-Analyse. Die Abkürzung SWOT kommt aus dem Englischen und steht für Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats. Auf Deutsch: Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Bei der SWOT-Analyse geht man schrittweise vor und beginnt mit den Stärken. Bei Prozessen werden zunächst die positiven Aspekte des betrachteten Prozesses herausgearbeitet. Der Blick auf die Schwächen macht deutlich, was in diesem Prozess noch nicht so gut funktioniert und wo der Prozess die gesetzten Ziele nicht erreicht. Bei den Chancen geht es vor allem um das Verbesserungspotenzial des Prozesses: Wie kann der Prozess in Zukunft die Ziele besser erreichen? Wo gibt es Potenziale, die wir noch nicht ausgeschöpft haben? Im letzten Schritt werden die Risiken beleuchtet. Hier wird untersucht, welche Risiken sich aus dem jeweiligen Prozess ergeben können, z.B. wenn der Prozess ausfällt.
Eine weitere Methode, die zur Prozessanalyse eingesetzt werden kann, ist die Zeitanalyse. Diese zielt speziell darauf ab, die Durchlaufzeit von Prozessen zu reduzieren. Dazu betrachtet man alle Prozessschritte und achtet besonders auf die Zeit zwischen den einzelnen Schritten und die Zeit, die für die Abarbeitung der Schritte benötigt wird. Kumuliert ergeben sie die Gesamtdurchlaufzeit, die es zu reduzieren gilt.
Eine weitere Möglichkeit der Prozessanalyse stellt die KAIZEN-Methode dar. KAIZEN kommt aus dem Japanischen und steht für den Gedanken der ständigen Verbesserung. Bezogen auf Prozesse wird ein solcher Prozess auch als „Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“ (KVP) bezeichnet. Dabei wird systematisch an der Optimierung von Prozessen gearbeitet. Ein Prozess wird also nicht als abgeschlossen betrachtet, sondern als bestehende Baustelle, an der weiter gearbeitet werden muss.
Mit der Muda-Methode sollen Verschwendungen identifiziert und reduziert werden. Vor allem Interviews und Prozessbegehungen werden eingesetzt, damit das Prozessmanagement die Verschwendungen identifizieren kann. Dazu muss der Prozessablauf aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Zu den Perspektiven gehören Überproduktion, Bestände, Transport, Wartezeiten, Verschnitt, Bewegungsabläufe und Korrekturarbeiten.
Mehr zur Muda-Methode finden Sie im Kapitel Prozessanalyse in unserem Whitepaper Prozessmanagement in der Praxis.

Wie wird bei einer Prozessanalyse vorgegangen? (inklusive Projektinsights)

Die Prozessanalyse schließt sich im Prozessmanagement an die Prozessaufnahme und -visualisierung an. Diese liefert eine aussagekräftige Grundlage für die Phase der Prozessanalyse und wird in der Regel in BPMN2.0 auf Visio oder Signavio festgehalten.

Das Projekt startete im November 2022 mit der Ist-Aufnahme von insgesamt fast 40 Prozessen innerhalb der Abrechnungsabteilung des Unternehmens. Alle Prozesse wurden vor Ort an beiden Standorten mittels Interviews und Arbeitsbegleitung aufgenommen, um fehlende Harmonisierungen zu identifizieren und konkrete Unterschiede zu erfassen.
Nach Abschluss der Ist-Aufnahme erfolgte die Visualisierung der Prozesse in dem im Vorfeld des Projektes ausgewählten Prozessvisualisierungstool Signavio mit der Prozesssprache BPMN 2.0. Die visualisierten Prozesse wurden jeweils mit den Prozessbeteiligten validiert, d.h. Schritt für Schritt mit den Prozessbeteiligten besprochen, um abschließend sicherzustellen, dass die Prozessschritte innerhalb der Ist-Aufnahme korrekt erfasst wurden.

Bevor mit der Prozessanalyse begonnen wird, müssen die zu erreichenden Ziele festgelegt werden. Außerdem muss die konkrete Vorgehensweise für die anstehende Prozessanalyse festgelegt werden. Diese kann von Prozessanalyse zu Prozessanalyse unterschiedlich sein. Beispiele für Vorgehensweisen bzw. Methoden werden im folgenden Abschnitt dargestellt. Es sollte jedoch nach einer festen Struktur vorgegangen werden, die je nach Zielsetzung angepasst werden kann.

Nach erfolgreicher Ist-Aufnahme und Visualisierung sowie Validierung der Ist-Prozesse wurden folgende Ziele für die Prozessanalyse definiert: Aufbereitung der Störfaktoren innerhalb der Ist-Prozesse sowie entsprechende Priorisierung; Ableitung von Optimierungspotenzialen sowie Durchführung einer Machbarkeitsstudie mit den jeweiligen Ansprechpersonen der betroffenen Prozessschritte, um zu prüfen, ob die Optimierung (z.B. systembezogen) umsetzbar ist. Hinsichtlich der Vorgehensweise wurde festgelegt, dass zunächst die von den Mitarbeitenden im Rahmen der Ist-Aufnahme genannten Störfaktoren schriftlich festgehalten und aufbereitet werden und diese Störfaktoren anschließend durch die externe OSCAR-Sicht ergänzt werden. Anschließend sollten Optimierungspotentiale mittels interner Brainstormings abgeleitet und im Rahmen der bereits erwähnten Machbarkeitsstudie gemeinsam mit dem Auftraggeber überprüft werden.

Im nächsten Schritt wird der Analysebedarf ermittelt. Das heißt, es wird untersucht, ob im Rahmen der Zielsetzung ein konkreter Optimierungsbedarf bzw. ein Optimierungspotenzial besteht.

Das übergreifende Optimierungspotenzial wurde bereits bei der Bestandsaufnahme deutlich.

Anschließend wird geprüft, ob das Ziel überhaupt geeignet ist, das Optimierungspotenzial auszuschöpfen.

In Bezug auf die einzelnen aufgenommenen Prozesse wurde untersucht, inwieweit eine konkrete Optimierung auf Seiten von OSCAR möglich ist. Beispielsweise wurde in einigen Prozessen kundenseitig mit Systemen gearbeitet, bei denen OSCAR keine Möglichkeit hatte, systemseitige Anforderungen zu stellen.

Im vierten Schritt werden die Prozesse identifiziert, die verändert werden müssen, um das geplante Ziel zu erreichen. Anschließend werden geeignete Prozessschritte ausgewählt und Maßnahmen definiert. Das heißt, es wird gemeinsam mit den Prozessbeteiligten der Handlungsbedarf konkretisiert und geprüft, welche konkreten Prozessschritte angepasst werden müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen oder sich diesem anzunähern.

Nachdem alle aufgenommenen Ist-Prozesse des Kunden auf ihre Störfaktoren und Optimierungspotentiale untersucht wurden, wurden die Prozesse mit Hilfe einer Excel-Tabelle priorisiert. Mit Hilfe eines Ampelsystems wurde der Aufwand und die Komplexität der Prozesse gekennzeichnet. Somit lag eine Übersicht vor, die gemeinsam mit dem Kunden analysiert und abschließend priorisiert werden konnte.

Vor der Umsetzung müssen Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen werden. Es ist möglich, dass eine Änderung eines oder mehrerer bestehender Prozesse zu einer besseren Zielerreichung führt, aber Änderungen sind immer mit Kosten verbunden. Wenn die Kosten der Änderung den Nutzen übersteigen, sollte überlegt werden, ob die Änderung tatsächlich durchgeführt werden soll.

So gab es beispielsweise einen Prozess, bei dem die Prozessbeteiligten eine aufwändige Datenprüfung durchführen mussten. Hier wurde anhand von Austauschterminen mit den Prozessbeteiligten diskutiert, welche Summen durch diese Datenprüfung eingespart werden. Dieser Fall wurde dann im Projektlenkungskreis diskutiert, inwieweit sich diese Datenprüfung lohnt, wenn man den entsprechenden Kostenvorteil betrachtet. Dies wurde gemeinsam mit dem Projektlenkungskreis entschieden und entsprechend in das Soll-Prozessdesign aufgenommen.

Ein weiterer Schritt vor der Umsetzung ist die Priorisierung. Hier wird festgelegt, welche Maßnahmen zuerst umgesetzt werden sollen. Dabei kann pauschal mit den sinnvollsten Änderungen begonnen werden, d.h. mit denen, die ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Es kann vorkommen, dass einige Änderungen erst nach anderen ihre volle Wirkung entfalten können, so dass die Priorisierung ggf. angepasst werden muss.

Die Priorisierung erfolgte auch im Austausch mit den jeweiligen Umsetzungsinstanzen. So wurde beispielsweise ein Optimierungspotential innerhalb eines Prozesses identifiziert, welches teilweise bereits im Kundenunternehmen bearbeitet wurde. So konnte die entsprechende Anforderung im Austausch mit dem entsprechenden Ansprechpartner des Kunden direkt kommuniziert werden und somit in die anstehenden Veränderungen innerhalb des Kundenunternehmens einfließen. Ein weiteres Beispiel wäre, dass es auch einen Prozess gab, der ein Optimierungspotenzial aufwies, das – bevor es in die konkrete Umsetzung bzw. Veränderung geht – kundenseitig geprüft werden muss, inwieweit es tatsächlich umgesetzt werden kann. Hierzu fanden mehrere Austauschtermine mit den entsprechenden Ansprechpartnern statt, um immer auf dem aktuellen Stand zu sein.

Aufbauend auf der Prozessanalyse folgt anschließend die Visualisierung, Optimierung und Implementierung.

 

Autorin: Anastasia Malec